Vorlage an das Bundesverfassungsgericht: Der Ausschluss des Werbungskostenabzugs für Berufsausbildungskosten ist verfassungswidrig
Vorlage an das Bundesverfassungsgericht: Der Ausschluss des Werbungskostenabzugs für Berufsausbildungskosten ist verfassungswidrig
Der VI. Senat des BFH hat dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Frage vorgelegt, ob es mit dem Grundgesetz (GG) vereinbar ist, dass nach § 9 Abs. 6 EStG Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine erstmalige Berufsausbildung oder für ein Erststudium, das zugleich eine Erstausbildung vermittelt, keine Werbungskosten sind, wenn diese Berufsausbildung oder dieses Erststudium nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfindet.
1. In den insgesamt sechs Streitfällen, die zu den Vorlagen an das BVerfG führten, hatten Steuerpflichtige Ausbildungen zum Flugzeugführer auf eigene Kosten (rd. 70.000 Euro) absolviert und waren danach als angestellte Berufspiloten für Fluggesellschaften tätig; in anderen Fällen hatten Steuerpflichtige Berufsausbildungen an Universitäten oder Fachhochschulen absolviert und waren danach auf dieser Grundlage beruflich tätig. Die Steuerpflichtigen hatten ihre Aufwendungen für die Berufsausbildung jeweils als vorweggenommene Werbungskosten geltend gemacht und die Feststellung entsprechend vortragsfähiger Verluste begehrt, um diese dann in den folgenden Jahren mit ihren aus der Berufstätigkeit erzielten Einkünften verrechnen zu können. Dem stand in allen Streitfällen allerdings § 9 Abs. 6 EStG entgegen. Die Vorschrift wurde mit Gesetz vom 07.12.2011 rückwirkend ab 2004 eingeführt; seitdem sind Aufwendungen für die erste Berufsausbildung vom Werbungskostenabzug ausgeschlossen.
2. Nach Auffassung des BFH seien Aufwendungen für die Ausbildung zu einem Beruf als notwendige Voraussetzung für eine nachfolgende Berufstätigkeit beruflich veranlasst und demgemäß auch als Werbungskosten einkommensteuerrechtlich zu berücksichtigen. Denn sie dienten der Erzielung einkommensteuerpflichtiger Einkünfte. Der Ausschluss des Werbungskostenabzugs verstoße gegen das aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleitete verfassungsrechtliche Gebot der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit und sei auch nicht mit Vereinfachung und Typisierung zu rechtfertigen.
Berufsausbildungskosten stellten schließlich auch keine beliebige Einkommensverwendung dar, sondern gehörten zum zwangsläufigen und pflichtbestimmten Aufwand, der nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG nicht zur beliebigen Disposition des Gesetzgebers stehe. Diese Aufwendungen seien deshalb, so der BFH, jedenfalls unter dem Aspekt der Existenzsicherung einkommensteuerrechtlich zu berücksichtigen. Dem werde nicht entsprochen, wenn für solche Aufwendungen lediglich ein Sonderausgabenabzug in Höhe von 4.000 Euro/6.000 Euro in Betracht komme. Denn der Sonderausgabenabzug bleibe bei Auszubildenden und Studenten nach seiner Grundkonzeption wirkungslos, weil gerade sie typischerweise in den Zeiträumen, in denen ihnen Berufsausbildungskosten entstünden, noch keine eigenen Einkünfte erzielten. Der Sonderausgabenabzug gehe daher ins Leere. Denn er berechtige im Gegensatz zum Werbungskostenabzug auch nicht zu Verlustfeststellungen, die mit späteren Einkünften verrechnet werden könnten.
Dagegen folgte der BFH nicht den Revisionsvorbringen, dass die rückwirkende Anwendung des Abzugsverbots auf das Jahr 2004 verfassungswidrig sei. Denn insoweit sei die Rückwirkung nach Maßgabe der Rechtsprechung des BVerfG ausnahmsweise zulässig.
(Auszug aus einer Pressemitteilung des Bundesfinanzhofs)